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Ein
Reisespektakel
Es gibt
dieses wunderbare Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er
was erzählen.“ Zumeist geht man davon aus, dass es sich hierbei um
positive Erinnerungen handelt, die von einer entspannten Zeit fern der
Heimat erzählen. Ausnahmen können durchaus die Regel
bestätigen. Kroatien. Sonne, Schotter und Meer.
Die Woche mit den Kindern verging wie im Flug, war es doch der erste
Urlaub seit Jahren. Trotz einer Nervenentzündung in der Schulter genoss
ich ihn in vollen Zügen. Der letzte Tag der Woche war angebrochen und
die Abreise stand bevor. Die warmen Sonnenstrahlen verwöhnten uns auf
der Frühstücksterrasse, während wir ein opulentes Frühstücksbuffet
genossen, dass alles zu bieten hatte, was unser Herz begehrte. Schweren
Herzens ermunterte ich nach vollendetem Völlern die Buben, mit mir die
Reisetaschen und Koffer zu holen. Alles gut verstaut begaben wir uns
mit unserem alten Wagen auf die Heimreise. In
Rijeka fand ich dann doch noch eine OMV Tankstelle, denn ich hatte
Angst, dass das ausländische Benzin nicht ganz einwandfrei ist und wir
dann vielleicht mit einer Panne irgendwo in der Pampa stehen würden.
Dieses Risiko wollte ich mit den Kindern lieber nicht eingehen, auch
wenn ich den Schutzbrief eines Autofahrerclubs bezahlt hatte. Mein
Älterer bettelte noch um einen Saft und Kartoffelchips für die
Heimreise. Voll getankt fuhr ich nun über Abbazia der Heimat entgegen.
Man darf allerdings nicht voraussetzen, dass die Straßen modernen
Standards entsprechen. Um die Heimreise nicht unnötig lange
auszudehnen, entschied ich mich für die kürzeste Strecke. Diese führte
aber über eine gewundene Bergstraße nach Slowenien. Eine Möglichkeit zu
parken oder zwischendurch irgendwo stehen zu bleiben, gab es da jedoch
nicht. Plötzlich hörte ich hinter mir die Worte
meines Ältesten: „Du, Mama! Mir ist schlecht!“ Mit dem elektrischen
Fensterheber öffnete ich sofort die hintere Scheibe. „Ich kann hier
nirgends stehen bleiben! Falls Du brechen musst, Fenster ist offen!“
war das Einzige, das ich ihm in dieser Situation anbieten konnte. Was
nun folgte war der erste Teil dieses Heimreisefiaskos. Ohne einen
weiteren Ton von sich zu geben, oder das angebotene offene Fenster zu
verwenden, übergab er sich ins Auto. Ein fantastischer Zustand: Auto
stinkend, Kind stinkend, und mein Jüngerer meinte, dass ihm auch gleich
schlecht wird. Ich aber musste noch drei Kilometer weit fahren, bis
endlich ein Rastplatz in Sicht war. Dort
angekommen, flüchteten wir aus dem Wagen und rissen, alle Türen auf,
damit der ekelhafte Geruch sich verziehen möge. Kein Wasser weit und
breit. Wohl oder übel, holte ich also die Handtücher aus dem Kofferraum
um mein schlimm aussehendes Kind und Auto zu reinigen. Koffer wurden
geöffnet und neue Kleider rausgesucht. Eine Tatsache habe ich dabei
aber vergessen: Bereits bei meinem Praktikum als Jugendliche im
Krankenhaus, konnte ich solch Anblick nicht ertragen und es kam wie es
kommen musste. Ich drückte meinem Älteren seine neuen Sachen in die
Hand, rannte zum nächst besten Busch und übergab mich ebenfalls. Mit
einer Nervenentzündung bereitet dies enorme Schmerzen. Während ich
wieder langsam den Normalzustand erreichte, hörte ich meine beiden
Buben diskutieren, ob wir jetzt hier bleiben müssen, weil ich jetzt
auch krank bin. „Das würde euch passen, hier
bleiben. Mir geht es wieder gut,“ lautete meine Antwort. Mein Älterer
war ebenfalls wieder gesäubert und so setzten wir unsere Fahrt mit weit
geöffneten Fenstern an diesem heißen Sommertag fort. Endlich kurz vor
der Grenze zu Österreich erblickten wir einen Gasthof neben der
Strasse, den wir aufsuchten um schließlich doch noch mit Wasser
versorgt zu werden. Schnell noch die Zähne geputzt und das Gesicht
gereinigt. Einige Handtücher wusch ich aus, um sie zur Autoreinigung
missbrauchen zu können. Etwas weniger übel riechend, aber von dem
Erlebten immer noch ein wenig abgelenkt, verpasste ich dann noch die
Auffahrt auf die Autobahn in Richtung Klagenfurt und nahm wieder einmal
eine Bergstraße. Diese wenig bis gar nicht befahrene Strasse, erweckte
den Eindruck seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr repariert worden zu sein.
Umso überraschter waren wir, als eben diese Strasse in einen
hochmodernen Tunnel endete. Mein Jüngster immer schon begeistert von
Tunnelfahrten löcherte mich mit den unterschiedlichsten Fragen. „Wozu
sind den die vielen Lichter? Warum sind da Kameras montiert? Filmen uns
die Kameras? Können wir uns das ansehen?“ usw. Ich versuchte auf all
seine Fragen eine Antwort zu finden, und bemerkte dabei nicht, dass
meine Geschwindigkeit nicht den Vorgaben entsprach.
Das Ende des Tunnels war erreicht. Gleich darauf stand so
etwas wie ein Mauthäuschen links neben der Fahrbahn. Das dachte ich
zumindest. Ein netter Herr mit Uniform kam aus dem Häuschen. Erst da
merkte ich, dass diese Uniform österreichische Abzeichen hatte.
Verdutzt fragte ich, ob ich hier auf einer Mautstrasse gewesen bin,
denn es stand nirgends angeschrieben. Der nette
Herr, war kein netter Herr wie sich herausstellte, sondern Zöllner.
„Sie haben soeben die Grenze zu Österreich überschritten“, meinte er.
„Und ich muss Ihnen nun den Führerschein entziehen.“ Wie aus allen
Wolken gefallen blickte ich ihn an und ein knappes: „Wieso?“ kam
entsetzt aus meinem Mund. Im Tunnel sind nur dreißig Kmh erlaubt und
ich sei siebzig gefahren, meinte er ungerührt. Daraufhin entlud sich
zunächst einmal mein ganzer aufgestauter Frust. Erstens, so erklärte
ich ihm, hätte ich es nicht gesehen, weil mein jüngerer Sohn so
begeistert von diesem modernen Tunnel war und ich mit ihm gesprochen
habe. Zweitens habe ich eine Nervenentzündung in der Schulter und
müsste dringendst zu meinem Arzt nach Niederösterreich und drittens
hatte mein älterer Sohn mir sechzig Kilometer zuvor das Auto
vollgekotzt, und ob er sich überhaupt vorstellen könne, wie der Wagen
im Hochsommer zu stinken beginnt, wenn er jetzt tatsächlich darauf
besteht, dass ich die Fenster schließe und Schlüssel sowie Führerschein
abgebe. „Und bevor ich es noch vergesse, ich bin nicht in der Lage,
einen Koffer sowie das Reisegepäck meiner Kinder zum Bahnhof zu tragen
oder in einen Zug einzuladen!“ fügte ich knochentrocken
hinzu. Es sollte hier noch angemerkt werden, dass
ich jedes Mal sobald ich Kärnten betrete, an die Exekutive
Eintrittsgeld entrichte. Der zweite Zöllner hatte bei offenem Fenster
zugehört und kam nach meinem endlos langen Satz aus dem Grenzhaus. Er
schnappte sich seinen Kollegen, wechselte ein paar Worte mit ihm und
teilte mir dann mit, dass sie noch mal ein Auge zudrücken und ich für
das Schnellfahren nur eine Strafe zahlen soll. Dankbar lächelte ich ihn
an. Zwanzig Euro sollte ich zahlen, doch egal wie ich es drehte und
wendete, ich hatte keine zwanzig Euro mehr. Entgegenkommend meinten die
beiden dann, dass ich auch mit der slowenischen und kroatischen Währung
meine Schuld begleichen kann. Gut, doch auch alle drei Währungen
miteinander ergaben keine zwanzig Euro! Da mich beide bei meiner
vergeblichen Suche in allen Geldbörsen durch das offenen Fahrerfenster
beobachtet hatten, sahen beide mittlerweile so aus, als ob sie sich vor
Lachen gleich wegschmeißen würden. Zaghaft fragte ich nach, ob es denn
möglich sei mit Bankomat- oder Kreditkarte zu bezahlen. Gesehen hätten
sie das Gerät schon einmal in ihrer Amtsstube, meinten sie. Für mich
aber werden sie es jetzt suchen. Mit Reisepass und allen anderen
Papieren für das Auto folgte ich ihnen. Sie fanden das Gerät, wobei nun
die Diskussion entbrannte, wie es funktionieren könnte. Ich konnte nun
ebenfalls nicht mehr umhin, mir das Lachen zu verbeißen und presste
meine Lippen fest aufeinander. Männer und Technik. Etwas mutiger trat
ich nun an das Gerät heran und fragte sie nach den Einlageblättern, da
ich diese Art Kartenleser aus dem Gastgewerbe kenne. Auch diese wurden
nach entsprechender Suche in allen Laden des Zollhäuschens gefunden. Zu
dritt füllten wir nun ein Blatt aus, legten es gemeinsam mit meiner
Kreditkarte richtig in das Gerät und meine Strafe war endlich bezahlt.
Mit einem dicken Grinsen im Gesicht, wünschten sie mir noch eine gute
Heimfahrt. Irgendwie hoffte ich nun, dass nach dem
zweiten Desaster die weitere Heimreise ereignislos verlaufen würde.
Glücklich, die Autobahn Richtung Graz erreicht zu haben, freute ich
mich darauf in vier Stunden endlich eine Dusche nehmen zu können. Die
Zeit verging wie im Flug und als ich knapp vor Wiener Neustadt war,
rief ich meinen Hausarzt an, ob ich noch in die Abendordination kommen
könne. Mit einer Zusage im Ohr fieberten wir alle schon unserem Heim
entgegen. Um die Heimfahrt nochmals abzukürzen
fuhr ich dann bei Baden von der Autobahn ab und wollte den Weg durchs
Helenental nehmen. Wie wenn sich die ganze Welt gegen meine Rückkunft
verschworen hätte, begann das Auto zu stottern und nahm kein Gas mehr
an. Ich erreichte nicht einmal das Ortsende von Baden, als ich den
Wagen nur mehr an den Rand rollen lassen konnte. Aus und vorbei – wir
standen und er sprang auch nicht mehr an. Jetzt wusste ich, wie sich
Rumpelstilzchen im Märchen gefühlt haben musste. Ich konnte es einfach
nicht fassen. Knapp vor dem Ziel gab es kein Weiter mehr. Von
mittlerweile leichtem Wahnsinn und Hysterie befallen, rief ich den
Pannendienst. Danach sagte ich den Termin bei meinem Arzt ab. Der
Fahrer des Pannendienstes kam auch eine halbe Stunde später und stellte
lapidar die Diagnose mit wohlbekanntem wienerischen Dialekt: „De Pumpm
fian Benzin is hi. Oba des is normal, wauns in Kroatien den Russensprit
tankt haum“. Nun zückte ich meinen Schutzbrief und meinte ebenso
lapidar: „Superklass, oba wir woin noch 10 Stunden im Auto trotzdem
ham!“ Daraufhin schleppte er uns zu einer Tankstelle, wo meine Kinder
und ich feste und flüssige Nahrung zu uns nahmen. Wir hatten auch
ausreichend Zeit, denn der LKW, der meinen Wagen aufladen sollte, hatte
noch zwei Stunden zu tun bis er sich auf den Weg zu uns machen
konnte. Als das Pannenlastauto nach zweieinhalb
Stunden dann endlich in die Tankstelle bog, konnte ich es nicht fassen,
dass wir tatsächlich bald zu Hause sein würden. Meine Buben waren
begeistert vom Lastwagen und durften vorne beim Fahrer Platz nehmen.
Frustriert kletterte ich zu meinem Auto auf dem Anhänger, setzte mich
in meinen Fahrersitz, gerüstet mit Red Bull und ausreichend Zigaretten
für den letzten Abschnitt unserer Heimreise, die ab da nur noch eine
dreiviertel Stunde dauerte. Ich lasse diesen Tag
manchmal Revue passieren, und finde, dass diese immerhin knapp vierzehn
Stunden dauernde Reise , noch lange in Erinnerung bleiben wird. Trotz
aller Hindernisse und Minikatastrophen dieses chaotischsten Tages
meines Lebens habe ich eines erkannt, dass nichts so schlimm kommen
kann, als dass es auch in den verfahrendsten Situationen nicht doch
noch Lichtblicke gibt, die ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Allein schon, wenn ich an die grinsenden Gesichter der
Kärntner Zöllner denke, die aus heutiger Sicht betrachtet, doch nette
Herren waren.
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